Rassismus gibt es nicht … oder doch?

Neulich bin ich auf einen Kommentar in einem Beitrag bei Meta Threads gestoßen, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Es ging um das Thema Rassismus – ein Thema, das immer wieder kontrovers diskutiert wird. Der Verfasser des Kommentars schrieb sinngemäß: „Rassismus existiert nicht, denn es gibt keine menschlichen Rassen.“

Zuerst musste ich zustimmen: Biologisch betrachtet stimmt das tatsächlich. Die moderne Wissenschaft ist sich einig, dass es keine „Rassen“ unter uns Menschen gibt. Wir alle gehören zur Spezies Homo sapiens und genetisch unterscheiden wir uns nur minimal voneinander. Doch je länger ich über diesen Kommentar nachdachte, desto klarer wurde mir: Diese Aussage trifft zwar biologisch zu – aber gesellschaftlich verkennt sie das eigentliche Problem.

Und genau deshalb schreibe ich diesen Artikel. Ich möchte mit diesem Missverständnis aufräumen – weil es gefährlich sein kann, solche Aussagen ungefragt stehen zu lassen.

Was bedeutet „Rasse“ überhaupt?

Der Begriff „Rasse“ stammt ursprünglich aus der Tierzucht und wurde im Laufe der Jahrhunderte auch auf Menschen angewendet. Besonders im 19. und 20. Jahrhundert wurde damit versucht, Menschen in Gruppen mit angeblich unterschiedlichen körperlichen und geistigen Eigenschaften zu unterteilen – oft mit verheerenden Folgen.

Heute wissen wir: Diese Einteilung ist wissenschaftlich nicht haltbar. Genetiker:innen und Anthropolog:innen sind sich einig, dass die Unterschiede zwischen sogenannten „Rassen“ kleiner sind als die innerhalb solcher Gruppen. Hautfarbe, Augenform, Haarstruktur – das alles sind oberflächliche Merkmale, die nichts über Intelligenz, Charakter oder Fähigkeiten aussagen.

Warum gibt es dann Rassismus?

Das Problem ist: Auch wenn es „Rassen“ im biologischen Sinne nicht gibt, gibt es Rassismus sehr wohl. Und zwar nicht, weil die biologische Grundlage stimmt – sondern gerade weil Menschen fälschlicherweise an die Existenz von Rassen glauben oder sie gesellschaftlich als relevant betrachten.

Rassismus ist ein gesellschaftlich konstruiertes System, das Menschen aufgrund von äußeren Merkmalen, Herkunft, Sprache oder Kultur benachteiligt. Es geht um Machtausübung, Ausgrenzung und das Aufrechterhalten von Ungleichheiten – nicht um objektiv nachweisbare Unterschiede.

Ein Beispiel: Wenn eine Person mit dunkler Hautfarbe auf der Straße häufiger kontrolliert wird, obwohl sie sich nicht anders verhält als alle anderen, dann ist das Rassismus. Nicht, weil sie tatsächlich „anders“ ist – sondern weil sie so wahrgenommen wird.

Das gefährliche Missverständnis

Die Aussage „Rassismus gibt es nicht, weil es keine Rassen gibt“ mag auf den ersten Blick logisch erscheinen. Aber in Wirklichkeit verharmlost sie ein reales Problem. Denn sie tut so, als ob mit dem Wegfallen der biologischen Grundlage auch die Diskriminierung verschwunden sei – und das ist schlichtweg falsch.

Stattdessen wird dadurch oft versucht, über die Erfahrungen von Betroffenen hinwegzugehen: „Stell dich nicht so an, es gibt doch gar keine Rassen, also kann es auch keinen Rassismus geben.“ Das ist nicht nur ignorant, sondern auch verletzend.

Sprache prägt Denken – und umgekehrt

Ein weiterer Aspekt, über den ich beim Schreiben dieses Artikels viel nachgedacht habe, ist die Bedeutung von Sprache. Begriffe wie „Rasse“ wirken in vielen Gesetzen und Alltagsdiskussionen immer noch nach. Auch wenn wir heute wissen, dass sie falsch sind, stecken sie in vielen Köpfen tief drin – oft unbewusst.

Wir müssen uns bewusst machen, wie sehr Sprache unser Denken beeinflusst. Wenn wir weiterhin in diesen Kategorien denken und sprechen, tragen wir ungewollt dazu bei, sie am Leben zu erhalten. Deshalb finde ich es wichtig, Begriffe wie „Migrationshintergrund“, „Herkunft“ oder „ethnische Zugehörigkeit“ differenziert und sensibel zu verwenden – und nicht als Ersatzbegriffe für alte Rassentheorien.

Und was kannst Du tun?

Wenn Du bis hierhin gelesen hast, danke ich Dir – denn allein das zeigt, dass Dir das Thema nicht egal ist. Vielleicht fragst Du Dich jetzt: Was kann ich tun?

Hier ein paar Impulse:

– Zuhören: Wenn Menschen von Diskriminierung erzählen, glaub ihnen. Du musst es nicht selbst erlebt haben, um Empathie zu zeigen.
– Reflektieren: Welche Vorurteile trägst Du vielleicht unbewusst in Dir? Welche Bilder hast Du verinnerlicht?
– Sprechen: Wenn Du rassistische Aussagen hörst – sei es im Netz oder im Alltag – sag etwas. Schweigen schützt nur die Täter:innen.
– Lernen: Lies Bücher, hör Podcasts, schau Filme von und über People of Color. Bildung ist ein starker Hebel gegen Vorurteile.
– Position beziehen: Auch wenn es unbequem ist. Gerade dann ist es wichtig.

Fazit

Ich schreibe diesen Artikel, weil ich durch einen scheinbar harmlosen Kommentar im Internet gemerkt habe, wie leicht ein ernstes Thema verharmlost oder falsch dargestellt werden kann. Ja, es gibt keine menschlichen „Rassen“. Aber Rassismus – den gibt es trotzdem. Und zwar in vielen Formen: offen oder subtil, bewusst oder unbewusst, strukturell oder individuell.

Nur wenn wir das erkennen und benennen, können wir etwas verändern. Ich für meinen Teil werde nicht wegsehen, wenn ich solchen Missverständnissen begegne – sondern meinen Teil dazu beitragen, aufzuklären.

Und Du?

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