Wenn Solidarität Risse bekommt – Gedanken eines Linken zur Queerfeindlichkeit von Links

Ich bin ein Mann, der sich seit Jahren als Teil der politischen Linken versteht. Für mich bedeutete „links“ immer: Kampf für Gerechtigkeit, Gleichheit und für die Schwächeren. Die Linke war mein politisches Zuhause, weil sie sich gegen jede Form von Ausgrenzung stellte – gegen Rassismus, Sexismus, Klassismus und natürlich auch gegen Queerfeindlichkeit. Doch in letzter Zeit sehe ich etwas, das mich verstört, traurig macht und auch wütend: queerfeindliche Stimmen aus dem eigenen Lager.

🧭 Linke Grundwerte – Ein Kompass, der aus dem Takt gerät?

Wenn ich an meine politische Sozialisierung denke, verbinde ich sie mit einem klaren Bild: Menschen sind unterschiedlich, aber gleich viel wert. Besonders diejenigen, die in unserer Gesellschaft benachteiligt, diskriminiert oder unsichtbar gemacht werden, brauchen Schutz und Sichtbarkeit. Die Linke war für mich der Raum, in dem Diversität gefeiert und nicht bekämpft wurde.

Doch je öfter ich mich in linke Diskurse auf Social Media, in Foren oder bei Veranstaltungen bewege, desto häufiger stoße ich auf Aussagen, die gegen queere Menschen gerichtet sind. Mal subtil verpackt als Kritik an „Identitätspolitik“, mal unverhohlen feindselig gegenüber trans oder nichtbinären Personen. Das ist nicht die Linke, für die ich stehe. Und ich weiß: Ich bin damit nicht allein.

🧨 Die neue Anti-Queer-Rhetorik – Ein Rückfall in alte Muster

Was da passiert, ist keine neue Bewegung, sondern ein Rückfall in übeholte Denkmuster. Wenn Teile der Linken beginnen, queere Anliegen als „bürgerlich“, „spalterisch“ oder gar „kontrarevolutionär“ darzustellen, offenbart sich ein tiefes Missverständnis darüber, wie gesellschaftlicher Wandel funktioniert. Queere Kämpfe sind nicht elitär, sondern überlebensnotwendig. Sie betreffen Menschen, die tagtäglich Diskriminierung erfahren – auf der Straße, beim Arztbesuch, in der Schule oder im Beruf.

Und nein, das Thema ist nicht „durch“ oder „nicht relevant genug“. Der Einsatz für LGBTQIA+-Rechte als Ablenkung vom „Eigentlichen“ zu deklarieren, ist nicht nur ignorant, sondern auch gefährlich. Solche Einstellungen bereiten den Boden für reale Gewalt, für gesetzliche Rückschritte und für Angst.

💥 Zwischen Wut und Traurigkeit – Warum mich das so trifft

Ich habe mich immer für die Schwächeren eingesetzt. Für Menschen, die keine Stimme haben oder deren Stimme systematisch überhört wird. In meinem linken Umfeld war das lange selbstverständlich. Wir waren laut gegen Ausgrenzung, kreativ im Aktivismus, solidarisch im Handeln.

Umso verletzender ist es, nun zu sehen, wie manche aus dieser vermeintlich solidarischen Ecke gegen queere Menschen hetzen. Es fühlt sich an, als würde mein Zuhause plötzlich unbewohnbar werden. Diese Rhetorik ist nicht nur ein Angriff auf queere Personen – sie ist ein Angriff auf die Grundidee dessen, wofür linke Politik stehen sollte.

📚 Woher kommt das?

Natürlich kann man nicht alle Linken über einen Kamm scheren. Die Linke ist heterogen, besteht aus vielen Strömungen und widersprüchlichen Ansätzen. Doch was wir gerade erleben, ist kein Einzelphänomen. Es gibt Teile der sogenannten „alten“ Linken, die mit Konzepten wie Geschlechtsidentität oder fluiden Lebensrealitäten wenig anfangen können. Die kämpfen für Klassenkampf, vergessen dabei aber, dass Menschen nicht nur Lohnarbeiter:innen sind, sondern auch mit anderen Diskriminierungserfahrungen leben.

Hinzu kommt eine Skepsis gegenüber individuellen Identitätsfragen, die als „neoliberal“ gebrandmarkt werden. Als wäre der Wunsch nach Anerkennung und Sicherheit im eigenen Körper eine kapitalistische Marotte. Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch historisch falsch: Schon immer waren queere Menschen Teil von Widerstandsbewegungen – oft an vorderster Front.

🕯 Was tun? – Widerstand auch im eigenen Lager

Ich glaube nicht, dass man sich einfach zurückziehen sollte. Im Gegenteil: Jetzt ist die Zeit, in der progressive Stimmen in der Linken besonders laut sein müssen. Wir müssen klar sagen: Queerfeindlichkeit hat keinen Platz in linken Bewegungen. Egal wie kritisch wir politischen Konzepten gegenüberstehen – Menschenrechte stehen nicht zur Disposition.

Dabei geht es nicht um bloße Empörung, sondern um konkrete Aktionen:
– 👉 Den Dialog suchen – mit anderen Linken, in Gruppen, auf Demos.
– ✊ Solidarität zeigen – mit queeren Aktivist:innen, Organisationen, Freund:innen.
– 🧠 Argumente liefern – gegen Fehlinformationen und verkürzte Kritik an Identitätspolitik.
– 🔧 Strukturen hinterfragen – in linken Räumen, die keinen Platz für queere Perspektiven lassen.

🌱 Hoffnung in der Vielfalt

Trotz allem glaube ich weiterhin daran, dass die Linke der Ort sein kann, an dem alle Menschen respektiert und geschützt werden – unabhängig von Geschlecht, Sexualität, Herkunft oder Behinderung. Dafür muss sie sich aber immer wieder neu erfinden, Fehler erkennen und eingestehen, wo sie versagt hat.

Du als Leser:in hast vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht oder bist selbst queer und wurdest von linken Stimmen verletzt. Ich will dir sagen: Du bist nicht allein. Es gibt viele, die mit dir kämpfen. Und wir brauchen dich – deinen Blick, deine Geschichte, deinen Mut.

Ich werde weiterhin laut sein – auch, wenn es unbequem wird. Für die Idee, dass Gerechtigkeit wirklich alle meint. Für eine Linke, die den Namen verdient.

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